Oder wie ich ein Google+ User wurde
Bis jetzt war ich immer nur bei Facebook aktiv. Aber warum nicht mal etwas Neues? Ich möchte mir also einen Google+ Account einrichten. Und um mir in dem Wirrwarr der sozialen Netzwerkwelt einen Überblick zu verschaffen, lese ich zur Einstimmung Guy Kawasakis „What the Plus“, ein Buch über den Umgang mit der Plattform Google+.
Der Autor prophezeit darin, dass Google+ – jetzt noch im Schatten von Facebook und Twitter – einen Boom erleben und seine Konkurrenz hinter sich lassen wird. Er selbst hat Google+ zu seiner neuen Plattform erklärt, beschreibt sie als schneller, besser, schöner. Na dann. Kawasaki vergleicht das Verhältnis von Google+ zu Facebook und Twitter mit der Beziehung von Macintosh zu Windows; erstere seien jeweils nicht nur besser, und das obwohl (oder gerade weil?) es von weniger Menschen genutzt wird, sondern waren auch beide geradezu dazu verdammt zu versagen. Macintosh war dann aber nicht gerade unerfolgreich! Schlussfolgerung: Diese Art Erfolg sieht Kawasaki auch für Google+. In seinem ausführlichen Handbuch soll der Leser davon überzeugt werden. Ob er auch mich bekehren kann?
Der fast 180-seitige Wälzer ist in übersichtliche Kapitel gegliedert. So werden die einzelnen Funktionen erläutert: wie man sein Profil pimpt und für sich selbst wirbt, wie man eine hohe Vertrauenswürdigkeit erreichen kann, wie man richtig und häufig kommentiert, wie man Posts teilt und gute Themen findet, wie man optimal sucht (damit sollte sich Google ja auskennen), wie man Fotos richtig veröffentlicht und viele weitere Funktionen. Insgesamt geht es darum, wie man Google+ für sich überhaupt und besser nutzen kann und sollte. Am Ende werden Hinweise auf besonders coole Features (z.B. Events, Umfragen, Shortcuts) und Tipps für „Fortgeschrittene“ gegeben. Alle Kapitel sind mit hübschen Zitaten und Screenshots versehen, damit der User sich ein Bild machen kann.
Es scheint wahnsinnig viele Funktionen zu geben. Ich bin etwas verwirrt und überfordert. Man kann alles Mögliche einstellen. Alles. Da ist mir Facebook mit seinen teilweise untransparenten Funktionen und missverständlichen Privateinstellungen fast schon lieber. Kawasaki bietet jedenfalls eine sorgfältige Auflistung der Möglichkeiten, manchmal im Vergleich zu Facebook und Twitter. Dass Google+ dabei eigentlich immer gewinnt, ist ja irgendwie klar.
Wohl wichtigstes Element, und bestimmt schon allseits bekannt, sind die Kreise, um Bekannte in unterschiedliche Bereiche zu ordnen; wie im echten Leben hat man hier also Freundeskreise. Ein weiteres besonderes Feature ist das sogenannte „Hangout“, der Google+ Video-Chat, bei dem man beispielsweise mit anderen Usern gemeinsam YouTube Videos anschauen oder mit mehreren Leuten auf einmal Video-Konferenzen abhalten kann. Man hängt halt ab.
Wirklich erwähnenswert – und darauf basiert Kawasakis Erfolgsprophezeiung – ist der Fakt, dass Google+ ein Teil von Google ist, also mit all seinen Dienstleistungen wie Maps und YouTube, die dadurch auch direkt auf dem sozialen Netzwerk eingebunden sind. Die Stärke der Google-Suchmaschine funktioniert auch bei Google+, z.B. bei der Personensuche. Die Suche innerhalb der Plattform wird optimiert, während die Suche bei Google mit Daten aus dem sozialen Netzwerk gespeist wird. Überhaupt: Man kann detailliert suchen. Es werden alle Updates angezeigt, sehr transparent. Aber will ich das überhaupt? Noch bin ich unsicher. Auch nicht zu unterschätzen ist, dass Google+ Statistiken aufstellt, z.B. darüber, wer, wo, wann, was kommentiert. Durchdacht und systematisch ist diese schöne, neue Welt. Sogenannte „Ripples“ sind das Tool, welches jedem zeigt, was alles so geteilt wird. Marketingstrategen freut es sicherlich.
Abschließend bezeichnet Kawasaki Google+ als kleine Party, neu und frisch, die kaum einer kennt; Facebook hingegen ist das Mainstream-Event, auf dem schon jeder tanzt. Fazit: Guy Kawasakis „What the Plus!“ ist eine Liebeserklärung an Google+. Zeitweise emotional, aber dennoch sachlich und beschreibend. Manchmal ist es übertrieben, zu offensichtlich werbend. Aber wir merken uns: Kawasaki will gar keine Werbung machen, sondern seine Leidenschaft teilen. Wie schön.
Und dabei ist dieses Buch eine kleine Offenbarung, ein Blick hinter die sozialen Medien. Was uns die Erläuterung der vielen Funktionen eigentlich ans Herz legen will, ist: Profiliere dich! Habe viele Freunde! Sei dauerpräsent im Web! Poste jede Stunde etwas Neues! Wie man das am besten anstellt, findet man in dieser Lektüre. Teilweise herrschen dabei etwas zu strikte Vorgaben, beispielsweise wie viele Kommentare man seine Freunde denn unter einen eigenen Post schreiben lassen sollte (Kap. 5), in welchem Stil man seine Posts verfassen möge (Kap. 6) oder Trivialitäten, wie dass man beim Videochat genug Licht anschalten solle (Kap. 9). Andererseits gibt es wirklich interessante Tipps, z.B. wie man bloggenswerte Inhalte im Web findet inklusive Links (Kap. 6) oder dass die Hangouts für Pressekonferenzen und Seminarsituationen wunderbar zu nutzen sind (Kap. 9).
So kann das Buch auch wie ein Ratgeber für die Eigenvermarktung im Social Web gelesen werden. Als Nachschlagewerk also durchaus empfehlenswert. Dennoch würde ich jedem fast mehr empfehlen, sich bei wirklichem Interesse doch einfach bei Google+ anzumelden. Ob der Boom kommen wird, kann ich nicht sagen. Aber einen neuen User hat Google+ durch mich immerhin gewonnen. Und mit Kawasakis Buch habe ich nicht nur über seine Erfahrungen gelesen, sondern sie zugleich mitempfunden. Da geht noch einiges.